Podcasts erleben seit geraumer Zeit einen Hype. Die Mikrofonhersteller haben reagiert: Unzählige neue Modelle tummeln sich auf dem Markt und sprechen Zielgruppen von Amateur bis Profi an. Wir haben uns einige Klassiker und Neuerscheinungen genauer angeschaut - und angehört!
Wir werden regelmäßig von unseren Podcast-Kunden nach Empfehlungen gefragt und stellen auch gerne Recording-Pakete zusammen, die auf die individuellen Bedürfnisse des jeweiligen Kunden abgestimmt sind. Wir beschäftigen uns hierzu auch konstant mit den neuen Entwicklungen auf dem Markt und testen diese ausgiebig in Studio- und On-Site-Situationen, bevor wir Empfehlungen aussprechen. Die Bedürfnisse unserer Kunden bei Podcast-Aufzeichnungen sind in Puncto Mobilität, Qualität, Preissensibilität durchaus verschieden, doch haben wir für diesen Artikel die gängigsten Anforderungen zusammengetragen.
Unsere Anforderungen an das perfekte Podcast-Mikrofon
- Unempfindlichkeit gegenüber unvorteilhafter Raumakustik: Podcasts werden meist nicht in optimal abgestimmten Studioverhältnissen aufgenommen. Ganz im Gegenteil: Oftmals befinden interessante Interviewpartner an Orten, die nicht perfekt gedämmt sind. Daher ist es wichtig, ein Mikro zu wählen, was auch in unvorteilhaften Umgebungen noch möglichst brauchbare Sprachaufnahmen liefert.
- Guter Umgang mit unterschiedlichen Positionen und Entfernungen: Viele Podcast-Interviewpartner sind nicht routiniert im Umgang mit einem Mikrofon. Es passiert daher oft, dass sie sich bewegen, nach vorne oder nach hinten rutschen oder seitlich in das Mikrofon sprechen. Hier sollte ein geeignetes Podcast-Mikrofon immer noch brauchbare Ergebnisse liefern.
- Ausgewogener Frequenzgang für Sprache: Natürlich ist es immer möglich, dies in der Postproduktion anzugleichen, und in vielen Fällen können wir hier noch echt viel rausholen bei Podcasts, die wir betreuen und bearbeiten. Doch je besser das Signal schon bei der Aufnahme klingt, desto weniger muss man im Nachhinein eingreifen und desto natürlicher wird das Endprodukt klingen.
- Gutes Preis/Leistungsverhältnis: Es gibt große Preisunterschiede, doch wir haben bewusst nach einer Preisspanne von 100-400 Euro geschaut. Günstiger wird die Qualität meist unbrauchbar und teurer wird es für die meisten Podcaster eher unwirtschaftlich und wir sind in der Studioliga. Wir sind nicht darauf angewiesen, das eine bestimmte Marke oder ein Mikrofontyp einen „guten Eindruck“ oder eine Außenwirkung hat – denn oft zahlt man dies mit. Desweiteren sind beim Podcasts andere Erwartungen an den Klang angesetzt die mehr mit Broadcast gleichzusetzen sind als mit Studio-Grade wie bspw. bei unseren Hörbuchproduktionen.
Warum keine USB-Mics in diesem Test?
Natürlich ist es gerade für die Aufzeichnung von On-Site-Interviews praktisch, kein Interface mitschleppen zu müssen und das Mikrofon direkt in den Laptop (oder sogar das Tablet oder Smartphone) stecken zu können. Allerdings sehen wir hier für unseren primären Anwendungsbereich einen entscheidenden Nachteil: Sobald man mehr als eines dieser Geräte simultan verwenden möchte (und Podcasts sind meist Gespräche mit zwei Personen) braucht man einerseits zwei freie USB-Ports – und das wird bei vielen Laptops schon schwierig, gerade wenn man noch ein andere Gerät wie z.B. eine Maus anschließen möchte. Und andererseits kommt man ohne weitere nervige Software-Zusatzlösungen mit zwei USB-Mikrofonen gleichzeitig schlecht zurecht, da die Mikros jeweils als ein Audiogerät erkannt werden und man in vielen Recording-Programmen oft nur das eine oder das andere auswählen kann.
USB-Mikrofone sind zwar auf den ersten Blick praktisch, haben jedoch deutliche Nachteile in der Handhabung wenn man mehr als Eins simultan aufzeichnen möchte.
Der Hersteller Rode hat hier zwar ein Zusatzprogramm entwickelt, welches das Problem löst (bzw. die Notwendigkeit von Programmen dritter Hersteller obsolet macht), es funktioniert allerdings nur mit den Mikrofonen des Herstellers und wir halten es immer noch für eine recht „fummelige“ Lösung, die die Vorteile der USB-Mics unserer Meinung nach zurücksetzt. Insbesondere auch weil absolut brauchbare, kompakte Interfaces inkl. Software schon für um die 100€ über den Ladentisch gehen.
Und was ist mit Großmembran-Kondensatormikrofonen?
Für Sprachaufnahmen in den meisten Studiosituationen werden auch in unseren Studios fast immer Großmembran-Kondensatormikrofone angewendet. Es liegt also der Gedanke nahe, diese auch zur Aufzeichnung von Podcasts zu verwenden. Der Detailreichtum, das Impulsverhalten sowie der gut kontrollierbare Nahbesprechungseffekt machen diese Mikros zum optimalen Partner zur Stimmaufzeichnung. Doch für Podcasts ist hier ein entscheidender Nachteil, dass sie ebenso detailliert die Akustik des Raumes abbilden in dem aufgenommen wird. Sie reagieren also deutlich empfindlicher auf unvorteilhafte Raumakustik als Mikrofone anderer Bauart, auf die wir uns in diesem Test daher beschränken.
Der Vergleich
Wir beschränken uns in diesem Test daher auf dynamische- und Richtmikrofone. Um ein möglichst realistisches Podcast-Setting herzustellen, haben wir die Testaufnahmen in den Büroräumlichkeiten der Klangkantine Studios durchgeführt. Diese dortigen Bedingungen sind durch Surren von Heizungsrohren und offener Akustik sehr nah am Leben eines Podcasters: Ca. 30qm, Deckenhöhe 3 Meter, Teppichboden und Diffusionspanel an der Decke, aber ansonsten keine Dämmung. Die Aufnahmen wurden alle direkt über ein Steinberg MR22 MKII Interface mit Preamp auf 3 Uhr aufgezeichnet, welches wir ebenfalls oft empfehlen für diese Zwecke. Bis auf Angleichung der Pegel zur besseren Vergleichbarkeit sind die Aufnahmen komplett unbearbeitet.
Die Mikros im Einzelnen (im Preis aufsteigend):
Audio-Technica AT2040
Bauart: Dynamisch, Hyperniere
Straßenpreis: 100€
(Keine Hörproben, da wir davon ausgehen, dass das uns zugesandte Exemplar defekt ist, siehe weitere Hinweise im Text)
© Audio-Technica
Rode PodMic
Straßenpreis: 110€
Bauart: Dynamisch, Niere
© Rode Microphones
Audio-Technica AT 875 R
Straßenpreis: 150€
Bauart: Kondensator Richtmikrofon
© Audio-Technica
Rode Procaster
Bauart: Dynamisch, Großmembran, Niere
Straßenpreis: 180€
© Rode Microphones
beyerdynamic M88TG
Bauart: Dynamisch, Hyperniere
Straßenpreis: 320€
© beyerdynamic
Audio-Technica BP40
Bauart: Dynamisch, Hyperniere
Straßenpreis: 330€
© Audio-Technica
Shure SM 7 B
Bauart: Dynamisch, Großmembran, Niere
Straßenpreis: 360€
© Shure
Unser Fazit
Das beyerdynamic M88TG ist nach wie vor unser Favorit für Podcast-Recordings. Es überzeugt auf ganzer Linie in der ausgewogenen Sprachwiedergabe, höherem Ausgangspegel und der hervorragenden Leistung selbst bei akustisch anspruchsvollen Situationen.
Insgesamt gefällt uns das beyerdynamic M88 am Besten. Einerseits für uns wenig überraschend, da wir es seit Jahren schon maßgeblich zur Aufzeichnung von Podcasts verwenden. Andererseits doch recht verwunderlich, da wir es abseits von unseren Produktionen noch nie in diesem Anwendungsbereich gesehen haben – insofern in diesem Segment ein Geheimtipp! Von allen Kandidaten hat es definitiv die praktikabelste Richtwirkung und kommt mit Abstand am Besten mit schwierigen akustischen Situationen klar. Auch der Frequenzgang der Sprache wird am ehrlichsten und natürlichsten übertragen – außerdem ist der Ausgangspegel deutlich höher als bei den anderen dynamischen Kandidaten und kommt somit auch gut mit Vorverstärkern im unteren Preisbereich klar, die stärker zum Rauschen tendieren. Einziges Manko: Es ist etwas „Plopp“-empfindlicher als seine Mitstreiter. Doch mit einem einfachen Poppschutz ist das auch leicht behoben. Mit 320€ ist es zwar kein Schnäppchen, aber dennoch deutlich günstiger als der Klassiker Shure SM7B.
Wenn es um das beste Preis-Leistungsverhältnis sowie kleine und leichte Abmessungen geht, ist in diesem Test das Audio-Technica AT 875 R unser klarer Favorit. Es überzeugt durch einen stabilen, rauscharmen Ausgangspegel, ausgewogenen Frequenzgang durch (bauweisebedigte) Betonung der Tiefmitten und recht praktikable Richtwirkung (wenngleich leichtere als angenommen), die in schwierigen akustischen Situationen sicherlich hilfreich ist. Für einen Straßenpreis von 150€ eine absolute Kaufempfehlung.
Das Audio-Technica AT 875 R ist unser Preis-Leistungssieger. Es überzeugt durch kompakte Ausmaße, ausgewogenen Frequenzgang sowie gute Ergebnisse bei schwierigen akustischen Situationen.
Dicht gefolgt wird es vom Rode Procaster, der mit einem Straßenpreis von 180€ nicht nur recht günstig ist, sondern auch sonst überzeugt: Die Sprache wird klar und deutlich übertragen, eine leichte Höhenanhebung im Gegensatz zu den anderen dynamischen Kandidaten sorgt für bessere Sprachverständlichkeit, auch wenn man dies mit einem guten EQ und einem M88 schöner hinbekommt. Im Gegensatz zum M88 ist der Ausgangspegel deutlich geringer und akustische Verhältnisse wirken sich stärker auf das Nutzsignal aus, aber wem das inkl. der größeren Ausmaße und des höheren Gewichts nicht so wichtig ist, hat hier ein sehr gutes Podcast-Mikrofon für wenig Geld.
Im Gegensatz zum Procaster hat das Shure SM7B abgesehen von seinem Legendenstatus und des ikonischen Aussehens überraschend wenig entgegenzusetzen: Der Ausgangspegel ist fast gleich, der Frequenzgang im Vergleich etwas „honky“, es klingt also etwas unnatürlicher und eine leichte Überbetonung der Mitten von 600-1200hz behandeln wir im Nachgang unserer Produktionen damit immer mit einem EQ. Ansonsten verhält es sich recht ähnlich zum Procaster, wenn auch die Reduktion von Plopplauten deutlich besser gelingt. Alles in allem natürlich ein überaus brauchbares und solides Mic, bei jedoch doppeltem Preis im Vergleich zum Rode muss man sich Fragen, ob es das wert ist.
Das Rode Procaster überzeugt auch durch solide Leistung für wenig Geld – und ist selbst trotz nur der Hälfte des Preises dem Klassiker SM7B in (fast) allen Belangen ebenbürtig – wenn nicht sogar überlegen.
Das Audio-Technica BP40 ist ein grundsolides Mikrofon, aber konnte uns in dem dichten Feld gegenüber seinen Mitstreitern nicht vollends begeistern: Verarbeitung top wie gewohnt von Audio-Technica, allerdings ist der Frequenzbereich doch sehr stark mittenbetont und wirkt auf uns etwas unnatürlich. Für 100€ weniger wäre es ein heißer Tipp, aber bei einem Preispunkt von 330€ geht es doch im Umfeld etwas unter.
Nicht wirklich überzeugen konnten das Rode PodMic und das Audio-Technica AT2040: Ja, es handelt sich hier bei beiden Mikros mit einem Straßenpreis um die 100€ um die günstigsten Kandidaten dieses Shoot-Outs, aber mit deutlichen Qualitätseinbußen: Das PodMic hat genauso wie das Procaster und SM7B recht wenig Ausgangspegel, dabei aber einen recht unnatürlichen Frequenzgang: Bässe wirken ungeschickt abgeschnitten, bei seitlicher Einsprechung klingt das Mikrofon sehr phasig und noch unnatürlicher und die hohen Frequenzen kommen zwar gut durch, täuschen erst mit Klarheit, klingen jedoch überaus grell und unangenehm, insbesondere bei Nachbearbeitung. Machte es bei direkter oder naher Besprechung noch im Anbetracht des Preises eine recht gute Figur, zeigen sich seine Schwächen sehr deutlich mit stärker werdenden Distanz zum Mikrofon: Hier wirken sich Raumakustik und Nebengeräusche doch recht stark auf das Nutzsignal aus.
Beim AT2040 sind wir uns in Bezug auf die Klangeigenschaften sogar uneins, ob es sich nicht um ein defektes Gerät handelt: Der Frequenzgang wirkt überall beschnitten und unnatürlich, die Mitten-Bänder scheinen überall dort zu verstärken, wo es die Sprache am unvorteilhaftesten wirken lässt. Entweder es gibt hier massive Fertigungstoleranzen – oder wir verstehen dieses Mikrofon nicht. Wir haben es daher aus den Hörproben vorerst ausgelassen, da wir kein verzerrtes Bild auf dieses Modell abgeben wollen, bis sich die Sache geklärt hat.